Unsere Autorin findet Junggesell*innenabschiede scheiße – vor allem in Bamberg. Ein Rant.
Tag für Tag das gleiche Spiel – die Scharen an Tourist*innen auf dem Weg in die Bamberger Innenstadt nehmen kein Ende. Auf dem Highway to Hell, der Luitpoldstraße, dasselbe Bild der Wallfahrer*innen ins Fränkische Rom: Rentner*innengruppen im beigen Einheitslook mit kleinen Rucksäcken, schwäbische Landfrauen-Vereine auf der Suche nach dem Dolce Vita Deutschlands und das Who is Who der deutschen Regional-Kegelclublandschaft mit personalisierten Namens-Shirts.
Wer nach Bamberg zieht, darf sich wohl kaum über Wochenend-Wallfahrer*innen beschweren (und tut es trotzdem andauernd). Bei einer Art der Bamberg-Pilger*innen ist jedoch jeder Groll, jede Abneigung und jede Zornesfalte auf der Stirn berechtigt. Diese Gruppe sind die Junggesell*innenabschiede, in fetzigem Deutsch auch JGAs genannt. Selbst wer Hopfen-Wallfahrten und Klein-Venedig-Prozessionen ansonsten als essenziellen Teil der Bamberger Identität ansieht, wird bei JGAs schnell still. Denn schon im Zug haben die Gruppen aus Sarahs, Julias und Lauras ordentlich Prosecco-Döschen von Aldi getankt (natürlich nur stilecht mit Strohhalm). Auch die Daniel-Fabian-Lukas-Fraktion kommt nicht unvorbereitet: ein, zwei oder auch zehn Beck’s waren im DB-Großraum-Abteil schon drin für die Jungs. Die Laune der Bauchladen-Träger*innen ist dementsprechend schon am Bamberger Bahnhof EINFACH NUR GEIL, LEUTEEEEEE, DENN DAS IST LUKAS’ LETZTES WOCHENENDE IN FREIHEIT. Und da es bei Lukas’ und Lauras Freund*innen scheinbar nicht zu einem richtig fetten Wochenende auf Mallotze oder (sagen wir es, wie es ist) im Bierkönig gereicht hat, lockt die größte Brauereidichte der Welt in Oberfranken.
Und so pilgern auch sie, die doch einfach nur SAUFEN MORGENS MITTAGS ABENDS SAUFEN wollen, in die Bamberger Innenstadt und werden selbst zum*zur Bierkönig*in. So schlimm man JGAs finden mag, eines muss man ihnen lassen: Sie geben sich frühzeitig zu erkennen, so dass man gegebenenfalls rechtzeitig das Weite suchen kann. Egal ob eine kecke Bride-to-Be-Schärpe, ein richtig witziger Haarreif mit kleinen, glitzernden Mini-Penissen und Federn oder bunte Team-Tutus – weiblich gelesene JGAs sind kreativ unterwegs, weil die Mädels einfach alle ein bisschen *crazy* sind. Bei den Herren der Schöpfung darf’s auch gerne traditionell sein. Jonas hat ‘ne Runde Shirts für alle bestellt, prominent bedruckt mit dem Namen des Bräutigams (plus Spruch). Zur Uniform fehlen dann nur noch zwei Dinge: die Bierpulle in der Hand und ein übergriffiger Spruch auf den Lippen.
In diesem Jahr kulminiert die JGA-Situation in Bamberg. Hochzeitsfeiern aus 2020 und 2021 hoffen auf coronafreie Party-Bedingungen, die aus 2022 kommen noch belastend hinzu. Für alle JGA-Hater*innen heißt das: Drei Jahre Junggesell*innenabschiede laufen parallel ab, gefühlt die Hälfte aller davon in Bamberg. Sie fordern auf zum Küsschen-Kaufen, zur Karaoke-Party an der Oberen Brücke, schwanken singend durch die Sandstraße und lassen jede*n an ihrem mit der Bluetooth-Box viel zu laut abgespielten Malle-Hitmix teilhaben. Ein individuelles Event für ein echtes Erlebnis mit Freund*innen? Fehlanzeige. Stattdessen Schlenk, Sternla und Sandstraße FÜR ALLEEEEE! Schärpe-Truppen und Teamshirt-Kollektive mögen das gut finden. Alle anderen kriegen langsam aber sicher einfach nur die Krise.