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Bisse im Gewissen

von Ella Engel

Bisse im Gewissen

Ein paar unbeantwortete Nachrichten, stundenlanges Prokrastinieren oder kleine Klimasünden aus Faulheit – schon meldet sich das schlechte Gewissen. Unsere Autorin nimmt uns mit in ihr Gedankenkarussell.

Grafiken: Laura Weinmann

Mein Bauch tut weh, mir ist ein bisschen schlecht und meine Gedanken drehen sich im Kreis. Es nagt an mir. Was, wenn ich doch etwas Falsches gesagt habe, etwas vollkommen anders ankam als beabsichtigt? Vielleicht sollte ich das Thema ansprechen und versuchen, es aus der Welt zu räumen – andererseits war dann doch nichts und ich mache aus einer Mücke einen Elefanten.

Missverständnisse, ob sie nun wirklich stattgefunden haben oder nur in meinem Kopf entstanden sind, verursachen mir oft Gewissensbisse. Gewissensbisse, das ist das quälende Bewusstsein, unrecht gehandelt zu haben oder an etwas schuld zu sein – so definiert es zumindest der Duden. In meinem Fall ist es die Befürchtung, jemand könnte eben das von mir denken. Das schlechte Gewissen tritt auch gerne auf, wenn ich befürchte, bestimmten Erwartungen nicht entsprochen zu haben. Hätte ich vielleicht bei der einen Sache doch nachgeben, mich besser anpassen sollen? Besonders bei meiner Familie und alten Freund*innen in der Heimat verspüre ich diesen Druck noch mehr. Meine Lebensrealität zu Hause unterscheidet sich deutlich von der in Bamberg.

Apropos alte und neue Freund*innen – melde ich mich bei allen genug? Hoffentlich habe ich nicht vergessen, jemandem zu antworten oder einen Geburtstag übersehen! Auch wenn ich gerne unter Menschen bin und sie sehr lieb habe, kann regelmäßiges Kontakthalten anstrengend sein. Wie leicht man sich von tausend Dingen ablenken lässt und doch auf keinen Fall möchte, dass eine Beziehung auf Dauer unter der räumlichen Entfernung leidet. Entfernt habe ich mich in letzter Zeit leider auch von meiner Masterarbeit. Auch hier beißt mich das Gewissen. Ob es in vergangenen Semestern das Lernen auf irgendwelche Prüfungen oder das Schreiben von Hausarbeiten war – wirklich gut gefühlt habe ich mich beim Prokrastinieren nie. Jede*r von uns wüsste, wie das besser geht, aber so aufdringlich mein Gewissen ist, so zurückhaltend ist meine Motivation.

Auch bei ganz anderen Themen bekomme ich Gewissensbisse. Wie steht es da zum Beispiel mit ehrenamtlicher Arbeit? Ich möchte etwas zurückgeben, da ich mir meiner privilegierten Lage sehr bewusst bin. Aber ist das, was ich tue, ausreichend? Oder bin ich viel zu bequem?
Um Bequemlichkeit geht es leider auch beim Klimaschutz. Ob ich für Kurzstrecken zu faul bin, das Fahrrad zu nehmen (zu heiß), nicht vollständig vegetarisch werden möchte (Omas Braten) oder die Heizung an und das Licht brennen lasse (Nachlässigkeit) – das schlechte Gewissen ist nie weit weg.

Ob im Kleinen oder im Großen: Wie viel Kraft soll man aufwenden, wie viel soll man sich einbringen? Besonders bei ethischen Fragen gibt es vermutlich keine allgemeingültige Antwort. Ich glaube, dass sich jede*r bemühen sollte, so gut er*sie kann zu handeln – und unser Gewissen unterstützt uns dabei. Zwang wird langfristig keine positive Verhaltensänderung herbeiführen und wir wissen selbst, für wie viel wir Kapazitäten haben. Was Beziehungen angeht, sind diese zum Glück keine Einbahnstraßen und in den meisten Fällen hilft uns Ehrlichkeit, auch mit uns selbst. Sollten wir wirklich unrecht gehandelt haben, entwirrt eine Entschuldigung so manchen Knoten im Bauch. Was das Prokrastinieren angeht, habe ich noch keine gute Lösung gefunden – aber das schiebe ich erst einmal auf später!