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Let’s Talk About Death, Baby!

von Katharina Kitt

Let's Talk About Death, Baby!

Irgendwann beißen wir alle ins Gras – eine ziemlich flapsige Redewendung. Doch das Sterben macht unserer Autorin Angst. Deshalb nimmt sie uns mit bei ihrer persönlichen Auseinandersetzung mit dem Tod.

Fotos: Privat / Zeichnungen: Nina Eichenmüller

Irgendwann bin ich tot. Für immer. Aber was soll das überhaupt sein, diese Unendlichkeit?“ Okay, das war’s. Ich sitze im Bett, mein Herz klopft und ich spüre die Angst in mir größer werden. Es ist nicht das erste Mal, dass mich Fragen dieser Art vom Schlafen abhalten. Fragen, die auf den ersten Blick wie von Kindern gestellt klingen und auf die ich keine Antwort finde. Ich stelle sie mir, wenn ich mich in ein Gedankenkarussell begebe, das sich um die Erkenntnis dreht, dass ich eines Tages sterben werde. In diesen Momenten greife ich meist nach meinem Handy, um mich abzulenken.

Meine Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit ist eine, die ich lange mit mir selbst ausgemacht habe. Irgendwann habe ich es geschafft, mich Menschen aus meinem engsten Umfeld anzuvertrauen. Doch mit Freund*innen fällt es mir noch immer schwer, über meine Ängste zu sprechen; es wirkt unangebracht. Aber sagen wir, wie es ist: Irgendwann müssen wir eben alle sterben.

Im Alltag findet eine Auseinandersetzung mit dem Tod nicht statt, es sei denn, jemand ist tatsächlich gestorben. Gerade auch in meiner Altersgruppe wird das Sterben gerne verdrängt und nicht besprochen. Wieso gehen wir so mit dem Tod um? Und wie können wir Ängsten entgegenwirken? Darüber habe ich mit Menschen gesprochen, die sich den Tod mitten in ihr berufliches Leben geholt haben.

Mit der Angst umgehen lernen

„Das Sterben wieder mehr in die Gesellschaft und ins Leben zu bringen, das ist das Ziel der Hospizbewegung“, sagt Priska Lauper, die Leiterin des ambulanten Hospizdienstes des Hospizvereins Bamberg. Lauper ist Diplom-Psychologin, Psychoonkologin, Physiotherapeutin sowie Palliativ-Care-Fachfrau. Sie arbeitet seit 15 Jahren für den Bamberger Hospizverein. Der 1990 gegründete Verein ergänzt bereits vorhandene Pflege- und Besuchsdienste. Er unterstützt sowohl Schwerstkranke und Sterbende als auch Angehörige in Abschieds- und Trauerprozessen.

„Hospizarbeit bedeutet, Zeit zu haben; dem Menschen eine Bühne geben.” Gerade bei schwerer Krankheit konzentriere sich das Umfeld oft vor allem auf diese. Alles, was den Menschen dahinter ein Leben lang ausmachte, rücke schnell in den Hintergrund, erklärt die 56-Jährige. „Dazu kommt dann oft noch der ‚soziale Tod‘. Wenn beispielsweise ein Familienmitglied krebskrank ist, macht das Umfeld oft einen Bogen um die Familie. Meist mit Begründungen wie ‚Ach, die brauchen jetzt bestimmt Zeit für sich.‘ Die Hospizarbeit setzt hier einen anderen Fokus und betrachtet den Menschen ganzheitlich. Die Krankheit ist nur ein Aspekt von vielen.“

Auch in dieser von Lauper beschriebenen sozialen Ausgrenzung von todkranken Menschen zeigt sich wieder, wie Menschen die Augen vor dem Tod verschließen. Sätze wie „Ach, die brauchen bestimmt Zeit für sich“, klingen für mich wie eine Ausrede, sich nicht mit dem Sterben auseinandersetzen zu müssen. Ist es die Angst, etwas Falsches zu sagen? Ist es eine generelle Berührungsangst mit dem Tod? Zunächst gebe es unterschiedliche Ängste, erklärt mir Lauper. Einerseits die Angst vor dem Tod, die aus einer realen Bedrohung resultiert: „Stellen Sie sich vor, jemand hat eine schwere Lungenkrankheit und es ist klar, dass diese Person daran sterben wird. Dann kann sich diese Angst im Kopf aufgrund von ganz furchtbaren Vorstellungen des Sterbens hochschaukeln: ‚Ich habe eine Lungenkrankheit, also werde ich ersticken.’“ Solche Ängste seien mit Informationen und Aufklärung über beispielsweise Schmerzmedikation gut in den Griff zu kriegen, erzählt Lauper.

„Ebenso individuell wie Ängste sind auch Bewältigungsstrategien.“

Und dann gebe es eben noch Ängste wie meine. Ängste, die nicht auf einer akuten Bedrohung basieren. Der Tod selbst wirkt abstrakt, nicht greifbar: Ich weiß nicht, wann er kommt und was danach passiert. Dazu kommt vielleicht noch die Angst davor, am Lebensende das Gefühl zu haben, die eigene Zeit nicht genug genutzt zu haben. Klar, das ist ein sehr individuelles Thema. Ebenso individuell wie die Ängste sind laut Lauper auch die Bewältigungsstrategien. „Viele verdrängen das Thema eben und das ist auch eine legitime Strategie, zumindest zeitweise.“ Doch langfristig sei es wichtig, sich damit auch als junger Mensch auseinanderzusetzen. Ein wichtiger erster Schritt sei es, darüber zu sprechen. Erste Ansprechpartner*innen können beispielsweise Freund*innen, Mitbewohner*innen oder Geschwister sein. „Auch die psychologische Beratungsstelle der Uni kann eine Anlaufstelle sein. Und wenn die Angst so groß ist, dass sie jemanden davon abhält, richtig ins Leben zu finden, kann auch eine Therapie eine Möglichkeit sein.“ Auch für Menschen, denen sich Betroffene anvertrauen, hat Lauper noch einen Tipp: „Mache Folgendes klar: Ich bin für dich da, ich höre dir zu und ich bewerte nicht. Selbst, wenn das Erzählte für dich selbst befremdlich ist, versuche, es anzunehmen.“ Am Ende betrifft der Tod uns alle und somit hat eigentlich auch jede*r etwas dazu beizutragen. Und vielleicht findet auch schon ein Wandel statt. Zumindest werden die Ehrenamtlichen des Bamberger Hospizvereins immer jünger, erzählt Lauper. Und auch während der Pandemie habe der Verein einen großen Zuwachs an Mitgliedern erfahren. Lauper erklärt sich das dadurch, dass die Menschen zum einen mehr Zeit hatten, zum anderen aber auch das Sterben im Alltag gegenwärtiger war. Das klingt für mich nachvollziehbar. Eine bewusste Konfrontation mit dem Tod kann bestimmt auch eine Art sein, ihm den Schrecken zu nehmen und Ängste abzulegen.

Berufswunsch Bestatterin

Für Sophia Obermaier ist das negative Grundverständnis des Todes der Hauptgrund für die tief verankerte Angst der Menschen davor. Sie ist Bestatterin in Traunstein im Chiemgau und gerade einmal 22 Jahre alt. Als der Wunsch, Rechtsmedizinerin zu werden, am hohen Numerus Clausus zerbrach, machte sie ein Praktikum bei einem Bestattungsinstitut. Berührungsängste habe sie keine gehabt: „Da ich schon als kleines Mädchen den Berufswunsch hatte, mit toten Menschen zu arbeiten, war das für mich nie ein Problem.” Für ihre Familie und Freund*innen sei ihr beruflicher Werdegang keine Überraschung gewesen, erzählt sie. „Von Menschen, die mich nicht kennen, höre ich dann oft: ‚Wie sind Sie denn darauf gekommen‘, ‚Sie könnten doch alles machen, warum ausgerechnet so ein trauriger Beruf? Sie sind doch noch so jung.‘ Ich antworte darauf dann immer, dass der Beruf gar nicht so traurig ist, wie alle denken.“ Sie sei ja nicht den ganzen Arbeitstag mit trauernden Angehörigen beschäftigt, erklärt Obermaier. „Würde ich erzählen, dass ich Hebamme wäre, dann wäre niemand so schockiert.”

Es ergibt wohl durchaus Sinn, dass der Beginn eines Lebens ein freudigeres Ereignis ist als das Ende. Aber ich verstehe, was sie damit meint. Auch sie kritisiert den Umgang der Gesellschaft mit dem Sterben: „Unter uns jungen Leuten spricht man grundsätzlich nicht viel über den Tod. Es ist ein klassisches Tabuthema. Bis es einen dann mal selbst betrifft.“ Sie erlebe Gleichaltrige im Trauerprozess oft verloren und hilflos, weil sie sich bis dahin nicht mit dem Tod auseinandergesetzt hätten. „Wir zeichnen oft ein grausames Bild vom Tod und das trägt nicht unbedingt zu einer freiwilligen Auseinandersetzung bei. Das ist schade, denn der Tod gehört halt zum Leben dazu.“

Angst vor dem eigenen Tod habe sie nicht. Höchstens davor, dass sie oder eine ihr nahestehende Person für ihr Empfinden zu früh sterben könnte. Im Umgang mit solchen Ängsten rät sie: „Versucht abzuwägen, wie groß die tatsächliche Todes-Gefahr gerade ist im Vergleich zu der Angst davor. Macht quasi einen kleinen Realitätscheck.“ Auch sie empfiehlt, über den Tod zu sprechen oder ab einem gewissen Alter eine Bestattungsvorsorge in Anspruch zu nehmen. Dabei könnten grundlegende Fragen wie die Form der Bestattung bereits geklärt werden. „Das kann helfen, dem Kontrollverlust entgegenzuwirken, der durch die Endgültigkeit des Sterbens manchmal empfunden wird.“

Das Thema Tod ist vielschichtiger als man denkt – das haben mir die Gespräche gezeigt. Ob ich jetzt weniger Angst vor dem Tod habe? Vielleicht ein bisschen. Aber es ist auch okay, Angst zu haben. Ich bin damit nicht allein.

Reden hilft!

Falls du dazu jemanden brauchst, melde dich hier:

  • Nightline Bamberg: 0157 35233503 (Mo/Mi/Do 21-24 Uhr)
  • Dipl.-Psych. Elisabeth Landgraf, Psychol.-Psychotherapeutin (Studentenwerk Würzburg): 0931 8005-820 (Di 11-12 Uhr, Do 14-15 Uhr)
  • TelefonSeelsorge: Online, vor Ort oder in der App, 24 Stunden am Tag erreichbar (mehr Infos unter www.telefonseelsorge.de)